Zwei ethische Systeme prägen die Diskussion um Zuwanderung und Flüchtlinge: die Gesinnungsethik, die von unumstößlichen, allgemeingültigen Regeln ausgeht, und die Verantwortungsethik, die die Folgen des kollektiven Handelns bedenkt. Gesinnungsethiker neigen zu absoluten Forderungen ("Jeder Bedrohte muss aufgenommen werden!"), Verantwortungsethiker zu übertriebenem Realismus ("Und wie sollen wir mehr als 1 Million Flüchtlinge bewältigen?"). Konrad Ott hat in seinem Essay beide Ansätze miteinander verglichen und sie an der aktuellen Situation überprüft. Er bietet damit eine ethische Orientierung für jeden an dieser Debatte Beteiligten an - und das sind wir alle!
Konrad Ott, geb. 1959, ist Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Universität Kiel.
1. Einleitung
2. Unterscheidung zwischen Flucht und Migration
3. Gesinnungsethik
3.1 Schutz für alle Flüchtlinge?
3.2 Von Flüchtlingen zu Menschen in Not
3.3 Politische Korrektheit im Diskurs
3.4 Normativer Individualismus und "overridingness"
3.5 "false negatives", "false positives" und die Folgen
3.6 Ausreise, Einreise, Fluchthelfer
3.7 "open borders" als Ziel?
3.8 Gesinnungsethik, Politik und die Neue Linke
4. Verantwortungsethik
4.1 Asyl als Verpflichtung
4.2 Mitwirkungspflicht
4.3 Das "open border"-Argument auf dem Prüfstand
4.4 Legitimität von Ausländergesetzen
4.5 Ablehnung und Rückführung
4.6 Notstandsethik?
4.7 Fremdenfeindlichkeit nicht aufkommen lassen
4.8 Völkerwanderung?
4.9 Umweltbewegung und "Degrowth"
4.10 Integration
4.11 Abreize und Investitionsverlust
4.12 Schärfere Konturierung: Zehn heikle Punkte
4.13 Argumente formulieren
5. Zwischenbilanz und Ausblick: ein "clash of morals"?
Kleines Verzeichnis wichtiger Begriffe