Marlen Haushofer, geboren 1920 im oberösterreichischen Frauenstein, war neben Ingeborg Bachmann eine der bedeutendsten österreichischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Ab 1946 publizierte sie erste literarische Versuche, ehe sie 1963 mit Die Wand einen der wichtigsten Romane der Nachkriegszeit veröffentlichte, der bis heute die Frauenliteratur und die Frauenliteraturforschung beeinflusst. Marlen Haushofer wurde mit etlichen Literaturpreisen geehrt, ehe sie 1970 im Alter von nur 49 Jahren in Wien verstarb.
Zwei Jahre nach Marlen Haushofers Tod erschienen die drei Märchen Das Waldmädchen, Das Nixenkind und Der gute Bruder Ulrich in einer kleinen Reihe für Kinderliteratur, wurden kaum wahrgenommen und bald vergessen. Von Haushofers Wiederentdeckung in den 1980er-Jahren blieben die Märchen unberührt - und können hier erstmals zugänglich gemacht werden.
Vom Duktus her an die Grimm'schen Märchen angelehnt, reizt Haushofer das Genre aus: In den Märchen um das Waldmädchen, das Königin wird, ein lange kinderloses Müllerpaar, das ein Nixenkind aufzieht, und ein ungleiches Paar von Ziehbrüdern gibt es keine Schätze, keine Rätsel, keine Drachen und Ritter. Das Wunderbare wird den Menschen als Geschenk zuteil, Hoffnung und Versprechen sind ein reines Produkt der menschlichen Einbildungskraft.
Markus Bundi hat schon in seinem Haushofer-Essay Begründung eines Sprachraums (Limbus 2019) auf die Märchen Bezug genommen; hier fungiert er als Herausgeber und fügt dieses vergessene Triptychon in Haushofers Werk, aber auch in die Märchengattung ein.