Janice Murphy stellte ihren kleinen Wagen auf dem Parkplatz ab und ging hinüber zu dem mehrstöckigen Appartementhaus, in dem sie zusammen mit ihrer Schwester Nan eine Wohnung gemietet hatte. Als sie die Post aus dem Briefkasten nahm, war sie mit ihren Gedanken noch bei ihrer Arbeit. Sie unterrichtete an der Grundschule in Kansas City, und morgen sollte die neue Turnhalle feierlich eingeweiht werden. Janice fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock hinauf. Als sie die Wohnungstür aufschloß, hörte sie das Klingeln des Telefons. Achtlos warf sie die Post auf die Kommode in der Diele und lief rasch ins Wohnzimmer. »Hallo?« rief sie erwartungsvoll in den Hörer. Doch gleich darauf verzog sie enttäuscht das Gesicht. Es war nicht ihre Schwester, wie Janice gehofft hatte, sondern ein Kollege, der sie zum Essen einladen wollte. »Tut mir leid, Dean, aber ich...« Sie brach hilflos ab, weil ihr einfach keine Ausrede einfiel. Sie mochte Dean zwar ganz gerne, aber sie hatte trotzdem keine Lust, schon wieder mit ihm auszugehen. »Hast du heute abend schon etwas vor?« erkundigte Dean sich. Seine Stimme klang enttäuscht. »Nein, das nicht«, erwiderte Janice zögernd. Dann entschloß sie sich, die Wahrheit zu sagen. »Ich bin heute nur nicht in der richtigen Stimmung, um auszugehen. Du weißt, daß ich mir große Sorgen um meine Schwester mache. Nan ist immer noch nicht zurückgekommen, und ich habe auch keinerlei Nachricht von ihr.« Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann seufzte Dean auf.
Melissa Anderson kennt sich im Liebesroman mit Thrillercharakter aus wie kaum eine andere Schriftstellerin. Dabei fallen auch ihre großartigen atmosphärisch dichten Naturbeschreibungen ins Gewicht. Sie hat für Spannungsreihen wie Irrlicht und Gaslicht bahnbrechende Romane geschrieben, die unter die Haut gingen auch wegen ihrer Kompetenz in dramatischen Fragen. Der schriftstellerischen Entwicklung dieser begabten, begnadeten Autorin hat ihr Umzug in die kanadische Wildnis, wo sie seit vielen Jahren lebt, offensichtlich gut getan. In Kanada ließ sie sich noch einmal neu inspirieren.