1. Institutionenwandel ist uns seit dem Umbrüchen in Mittel-, Ost-und Südosteuropa ein vertrautes Phänomen geworden, das wir mit Anteilnahme, Hoffnung und Sorge verfolgen. In der Wissenschaft ist der große Zweig der Transformationsfor schung entstanden, der den Übergang der ehemals sozialistischen Gesellschaften in eine Zukunft mehr oder weniger westlichen Musters in all seinen Problemen aufarbeitet. Nicht zuletzt das Sonderheft 1995 des Leviathan hat diese Forschungen dokumentiert. Das vorliegende Heft soll diese Arbeiten nicht duplizieren. Es scheint vielmehr an der Zeit, sich klarzumachen, oder besser, sich wieder daran zu erinnern: daß Institutionenwandel ein umfassendes Phänomen ist, welches uns historisch stets begleitet und auch in der Gegenwart überall in der Welt anzutreffen ist. Die Erweiterung des Blicks über die Transformationsforschung hinaus soll vor Augen führen, daß der in vielfältigen Formen auftretende Institutionenwandel einer der wichtigsten Faktoren ist, um Gesellschaft und Politik in ihrer Dynamik zu begreifen. Institutionenwandel haben wir in den Umbrüchen in Mittel-, Ost und Südosteuropa, aber ebenso im Zuge der europäischen Integration, in den Veränderungen der Dritten Welt und in der Entwicklung der internationalen Re gime und Organisationen. Der Wandel ist nicht immer so sichtbar wie in der Folge des Niedergangs real existierender sozialistischer Systeme. Institutionenwandel kann sich abrupt voll ziehen, er kann aber auch eher unmerklich vonstatten gehen und doch erhebliche Auswirkungen haben. So im Zuge der europäischen Integration. Daß neue Insti tutionen geschaffen und somit Institutionenwandel in Europa beabsichtigt und erreicht wurde, ist nur die eine Seite.
Wie die Sozialwissenschaften Institutionenwandel begreifen.- Wie verändern sich Institutionen? Revolutionärer und schleichender Institutionenwandel.- Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung von Rationalitätskriterien.- Institutionenwandel und Gesellschaftstheorie. Modernisierung, Differenzierung und Neuer Ökonomischer Institutionalismus.- Institutionenwandel und die Funktionsveränderung des Symbolischen.- Brennpunkte des Institutionenwandels.- Politische Mythen und Institutionenwandel. Die Anstrengungen der DDR, sich ein eigenes kollektives Gedächtnis zu verschaffen.- European Integration and Institutional Change: The Transformation of National Patterns of Policy-making.- Wandel und Kontinuität der Institutionen: Rußland - Sowjetunion - Rußland.- Der schleichende Institutionenwandel im Krisenmanagement für die Dritte Welt: Weltbank und Währungsfonds. Internationale Organisationen im Dienste der Globalisierung.- Über die Entwicklung der Institutionen in Deutschland.- Vom Kaiserreich zur Bundesrepublik: Kontinuität und Wandel der politischen Institutionen in Deutschland.- Wohin geht der Wandel der demokratischen Institutionen in Deutschland? Die Entwicklung der Demokratievorstellungen der Deutschen seit ihrer Vereinigung.- Autorenverzeichnis.
Dr. Gerhard Göhler ist Professor für Politische Theorie am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin.