Wer ist hier das Opfer?
Ist es der Journalist Asa Leventhal, der nach einigen Irrfahrten des Lebens zu einer guten Position bei einer Zeitung gelangt ist und der nun die mühsam erworbenen Annehmlichkeiten des Daseins, seine innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit durch die unerwarteten bitteren Anschuldigungen eines längst vergessenen und plötzlich aufgetauchten Bekannten ins Wanken geraten sieht? Oder ist Allbee das Opfer, der Mann mit den zerschlissenen Kleidern und einem vom Alkohol gedunsenen Gesicht, der sich immer wieder Leventhal in den Weg stellt und ihn für sein Missgeschick verantwortlich macht? Obwohl Leventhal weiß, dass Allbee selbst für sein Schicksal verantwortlich ist, beginnt er doch zu zweifeln. Wie weit ist ein Mensch am Unglück des anderen mitschuldig? Die Frage Dostojewskis, die alte Kain-und-Abel-Frage, eine Urfrage der Menschen.
Wie Allbee sich in Leventhals gepflegter Wohnung einnistet und dort Unordnung und Unruhe hineinbringt, wie er immer neue Forderungen an sein Opfer stellt und ihm allen Seelenfrieden raubt, wie dieser verzweifelte Kampf um Schuld und Unschuld zu einem Albtraum für Leventhal wird, aus dem es zunächst kein Erwachen zu geben scheint, das erlebt der Leser in einem brillant komponierten, ungeheuer spannenden Roman, der Saul Bellow die erste internationale Anerkennung eintrug.
Saul Bellow wurde am 10. Juni 1915 in Lachine/Quebec als Sohn jüdisch-russischer Einwanderer geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Montreal, 1924 zog die Familien nach Chicago. Dort besuchte er die Tuley High School und studierte später Anthropologie und Soziologie an der Northwestern University. Bellow übte verschiedene Tätigkeiten aus, bevor er seit 1938 dauerhaft an verschiedenen amerikanischen Universitäten lehrte, unter anderem an Princeton und an der Universität von Chicago. Am 5. April 2005 starb der Schriftsteller in Brookline, Massachusetts, im Alter von 89 Jahren. Bellow war mehrmals verheiratet und hatte vier Kinder. Saul Bellow selbst erhielt für sein umfangreiches literarisches Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Nobelpreis für Literatur 1976.