Die "Antigone" des Sophokles, eines der bedeutendsten und wichtigsten Dramen der Weltliteratur, hat im Laufe seiner Wirkungsgeschichte viele Übersetzer, Nachdichter und Dramatiker beschäftigt und zum eigenen Umgang mit dem großen Thema von Liebe und Haß, Recht und Unrecht angeregt.
Die mit Gewißheit poetischste, musikalischste und sprachmächtigste Übertragung des griechischen Textes ins Deutsche haben wir Friedrich Hölderlin zu verdanken, dessen "Antigone" nun Martin Walser und Edgar Selge (Autor der eine, Schauspieler der andere) bearbeitet und für das Theater der Gegenwart eingerichtet haben. Entstanden ist dabei ein Text, der sich sehr wohl dem Ton und dem Rhythmus Hölderlins verpflichtet weiß, der aber den Konflikt Antigones mit Kreon, ihrem Onkel, dem König von Theben, schärfer und kontrastreicher herausarbeitet und der von der ersten Szene an für ein entschiedeneres Tempo und damit für mehr Spannung und Intensität sorgt.
Martin Walsers und Edgar Selges Bearbeitung, die am 20. Juni 1989 bei den Bad Hersfelder Festspielen ihre Premiere auf der Bühne hatte, erleichtert dem heutigen Leser und Zuschauer den Zugang zu einem Werk das, rund 2400 Jahre alt, am Anfang der europäischen Dramenliteratur steht und dennoch zeitlos gültig geblieben ist.
Sophokles wurde 496 v. Chr. im attischen Demos Kolonos als Sohn eines wohlhabenden Unternehmers geboren. Er genoss eine sehr gute Erziehung und Ausbildung, verkehrte in Intellektuellenkreisen, übernahm bald verschiedene politische Ämter und wirkte im kulturellen und politischen Leben Athens mit.
Bereits als 25-jähriger gewann Sophokles die Dionysien, ein Wettstreit zwischen Dichtern im Dionysostheater, mit seiner Tetralogie Triptolemos. Auch seine weiteren Stücke wie Antigone, Philoktet und Ödipus wurden zu großen Erfolgen. Von seinem äußerst umfangreichen Werk sind leider nur sieben Tragödien überliefert. Sophokles gilt als Neuerfinder der attischen Tragödie: er führte den dritten Schauspieler ein, die Schauspieler für seine Stücke wurden passend zur Rolle ausgewählt, er erhöhte die Zahl der Chorsänger von 12 auf 15 und integrierte den Chor in das Stück, und außerdem wurde zum ersten Mal die Handlung durch Bühnenbilder verdeutlicht. Durch diese Neurungen wurde das Schauspiel lebendiger, spannender und dramatischer. Erstmals bei Sophokles wird der Mensch als Individuum mit all seinen Fehlern und die Götter nicht mehr nur verehrend dargestellt. Er gilt als Meister der tragischen Ironie, der gedanklichen Tiefe und sprachlichen Ausdruckskraft.
Im Alter von etwa neunzig Jahren ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Kurz nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren eine Statue im Dionysostheater aufgestellt.
Johann Christian Friedrich Hölderlin wurde am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geboren.
Nach dem frühen Tod des Vaters und des Stiefvaters besuchte er in seiner Jugend eine Klosterschule, ab 1788 begann er am Tübinger Stift ein Theologiestudium. Dort lernte er Hegel, Schelling und Isaac von Sinclair kennen, mit denen ihn bald schon eine enge Freundschaft verband. Einige Jahre später traf er auch auf Goethe und Schiller, wobei er besonders in Schiller einen Gönner und Berater für seine dichterische Tätigkeit fand. Ab 1791 veröffentlichte er erste Gedichte und arbeitete als Hofmeister in Walterhausen, Frankfurt und Hauptwil.Von dort mußte er allerdings nach der Entdeckung seiner Liebesaffäre mit der Hausherrin Susette Gotard nach Bordeaux reisen. Er kehrte aber bald schon wegen einer Nervenerkrankung ins Haus seiner Mutter nach Nürtingen, später zu Isaac von Sinclair zurück. Nach der Nachricht vom Tod seiner Geliebten Susette verschlimmerte sich sein Leiden, so daß Hölderlin in eine Klinik eingewiesen wurde. Nach seiner Entlassung galt er als unheilbar wahnsinnig und wurde für den Rest seines Lebens in die Obhut der Tischlerfamilie Zimmer in Tübingen gegeben, die ihm eine zur Pflege hergerichtete Turmstube bereitstellte. Er starb dort am 7. Juni 1843.
Martin Walser wurde am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Nach seinem Arbeitsdienst erlebte er das Ende des Zweiten Weltkrieges von 1944 bis 1945 als Soldat der Wehrmacht. Nach Kriegsende machte er 1946 in Lindau am Bodensee-Gymnasium das Abitur und studierte an den Universitäten Regensburg und Tübingen Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit einer Dissertation zu Franz Kafka wurde er 1951 in Tübingen promoviert. Von 1949 bis 57 arbeitete er beim Süddeutschen Rundfunk. In dieser Zeit unternahm er Reisen für Funk und Fernsehen nach Italien, Frankreich, England, CSSR und Polen und schrieb erste Hörspiele. 1950 heiratete er Katharina Neuner-Jehle. Aus dieser Ehe gingen die Töchter Franziska, Alissa, Johanna und Theresia hervor. Seit 1953 wurde Walser regelmäßig zu den Tagungen der Gruppe 47 eingeladen, die ihn 1955 für die Erzählung Templones Ende auszeichnete. Sein erster Roman Ehen in Philippsburg erschien 1957 und wurde ein großer Erfolg. Walser lebte von da an mit seiner Familie als freier Schriftsteller erst in Friedrichshafen und dann in Nußdorf am Bodensee.
Martin Walser verstarb am 26. Juli 2023 in Überlingen am Bodensee.