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»Historiker, * 3.9.1829 Prag, ¿ 24.10.1892 Prag. (katholisch)
Gindely hatte durch seinen deutschen Vater und seine tschechische Mutter Anteil an dem zweifachen Volkstum seiner Heimat, die für ihn zeitlebens Mittelpunkt seines Schaffens geblieben ist. Als Studierender an der noch ungeteilten Universität erregte er die Aufmerksamkeit des von Thun berufenen Constantin von Höfler, der, selbst Schwabe, die Zukunft Böhmens in einem katholisch ausgerichteten Großdeutschtum einordnen wollte. Höflers Einfluß ist zeitlebens in Gindelys Interesse für Fragen der neueren Kirchengeschichte Böhmens zu erkennen. Aber auch der Landeshistoriograph Palacký, auf den sich das zum nationalen Selbstbewußtsein erwachte Tschechentum als seinen geistigen Führer berief, hielt von Gindely große Stücke und sicherte dem jungen Gelehrten weitestgehende Unterstützung zu. Alsbald nach seinem Doktorat (1852) wurde Gindely Supplent an der damaligen Universität Olmütz, dann Realschulprofessor in Prag, 1862 außerordentlicher Professor für österreichische Geschichte in Prag und zugleich Landesarchivar, 1867 ordentlicher Professor. Dazu erhielt er Gelegenheit zu umfassenden Forschungsreisen im europäischen Auslande und zu Quelleneditionen. Obwohl Gindely seine anfängliche Lebensaufgabe, die Vollendung der klassischen Geschichte Böhmens von F. Palacký, nur in umfangreichen Bruchstücken weiterführte, trat er mehr und mehr insofern in Gegensatz zu seinen ungleichen Lehrern, als er sich bei der sich damals zwangsläufig einstellenden Trennung Böhmens in zwei geschichtlich begründete Volkstümer weder nach der einen noch nach der anderen Seite parteiisch binden wollte, wenn er auch 1882 im Verband der deutschen Universität verblieb. So unbestritten seine fachwissenschaftlichen Verdienste um die böhmische Historiographie sind, so beurteilt ihn von Srbik als einen slawophilen oder neutralen Deutschen ähnlich Helfert, indessen neuestens Plaschka das damals noch wirksame österreichische Staatsinteresse als den eigentlichen Maßstab seiner böhmischen Landesgeschichte unterstreicht. Gindelys Breitenwirkung innerhalb der vielsprachigen Monarchie war lange Zeit nicht zu unterschätzen: Seine Schulbücher wurden viel benützt und übersetzt; er unterrichtete einst Kronprinz Rudolf; die Deutschösterreicher Friedjung und Werunsky, obwohl untereinander recht verschieden, bekannten sich ebenso als seine Schüler wie anderseits Pekar und Krofta, die schon dem modernen Tschechentum zugehörig waren.«
Lorenz, Reinhold, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 402