Kinematographie und moderne Geschichtsschreibung wurzeln im selben gesellschaftlichen und erkenntnistheoretischen Grund. An kaum einem historischen Gegenstand zeigt sich daher die Wechselbeziehung zwischen der Geschichtsschreibung, ihren Voraussetzungen und Methoden einerseits und den von ihr beschriebenen geschichtlichen Bewegungen deutlicher als in der Geschichte der Kinematographie.
Um so eigenartiger, daß die Filmgeschichtsschreibung bislang, von eher archivtechnischen Scharmützeln um den Besitz vorgeblicher Sachverhalte einmal abgesehen, eine Theorie ihres Tuns nicht entwickelt hat. Ungebrochener Faktizismus bestimmt noch immer das Bild der Filmgeschichte. Die geschichtliche Eigenbewegung des Films wird, wo sie vorkommt, auf den Status eines Seitenstücks der allgemeinen Sozialgeschichte heruntergedrückt.
Die in den vorliegenden Untersuchungen angesetzte Rekonstruktion der frühen Filmgeschichte als Entstehung und Entfaltung eines Sinnsystems entwickelt in enger Auseinandersetzung mit neueren Entwürfen der System- und der Filmtheorie, zeigt jedoch eine Alternative auf. Die filmhistorische Leitfrage lautet dann nicht mehr: "Wie ist es gewesen?", sondern: "Wie ist es geworden?"
Nicht mehr das stillgestellte Einzelbild, sondern der ununterbrochene Bilderfluß rückt ins Blickfeld. Die Bewegung des spezifisch kinematographischen Eigen-Sinns wird beschreibbar, von ihrer Vorgeschichte im 19. Jahrhundert und ihrem Nullpunkt 1895 als methodisch im Gegenwärtigen verankerten Rückprojektionen bis zu dem Punkt, an dem der Film die Bewegung der Sinnverfertigung in Frage zu stellen beginnt und damit seinerseits die Theorie des Sinns herausfordert.
Habil. Köln.