Warum eigentlich müssen Romane immer an jenem Punkt, wenn Held und Heldin einander geheiratet haben, "höchst unbefriedigend schließen und regelrecht verfrüht bereits auf Seite 320 des dritten Bandes enden"? Warum zum Beispiel musste Sir Walter Scotts großartiges Werk damit enden, dass Ivanhoe und Lady Rowena heiraten, gleichsam als ob durch diesen Akt besiegelt wäre, dass im Leben der beiden fortan nichts mehr geschieht, das des Berichtens wert wäre? Ist nicht vielmehr anzunehmen, dass der Kreuzritter Sir Wilfred von Ivanhoe an der Seite der so überaus tugendhaften und sittsamen Lady Rowena durchaus den Drang verspürt, dem häuslichen Einerlei und einer Gattin, die keinen Tag vergehen lässt, ohne ihn daran zu erinnern, dass jenes Judenmädchen Rebecca einst in in verliebt gewesen sei, noch einige heldenhafte Taten entgegenzusetzen? Sollte er Harnisch und Handschuhe tatsächlich für immer abgelegt haben, damit diese im tristen Eheleben den Rost und Staub des Alltags ansetzen? Diesen Fragen geht William Makepeace Thackeray in seiner Fortsetzung von Walter Scotts "Ivanhoe" auf seine bekannt humorvolle und sarkastische Art nach und beweist einmal mehr, dass Romane selbstverständlich "stets Abschriften des Lebens und alle ganz getreu nach dem Vorbild und erbaulich sind."
Der für seine beißende Satire gefeierte Thackeray, dessen Gesellschaftsportrait "Jahrmarkt der Eitelkeiten" 2015 von einer Fachjury zu einem der bedeutendsten britischen Romane gekürt wurde, bietet mit dem kurzen Roman "Rebecca und Rovena", illustriert von Richard Doyle, auch dem Leser mit wenig Zeit Gelegenheit, den Humor des noch heute außerordentlich beliebten Schriftstellers zu genießen, ohne sich durch etliche seitenreiche Bände hindurcharbeiten zu müssen.