Armut war eine schwere Last für viele, auch im 19. Jahrhundert. Aber langsam entwickelte sich in einer ländlichen Berner Gemeinde wie Worb ein soziales Netz. Zu tragen vermochte es nicht alle, aber gegen Ende des Jahrhunderts immer mehr Menschen. Der Kern der Fürsorge bestand zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Verabreichung von Bildung und Erziehung und in der Abgabe von Lebensmitteln und Brennmaterial, zum Teil direkt in Suppenanstalten.
Später begannen sich weitere Fürsorge-Strukturen mit anderen Leistungen herauszubilden. Diese unterstützten und ergänzten vor allem die staatliche Armenpflege. Sie wirkten eher präventiv, während die staatliche Fürsorge weitgehend Armutssymptome bekämpfte. Die private, freiwillige und nichtstaatliche Fürsorge drang gezielter zu möglichen Ursachen von Armut vor. Wie zum Beispiel der "Allgemeine Krankenverein", der sich Patienten annahm, bevor sie der Gemeinde wegen zu hoher Arzt- und Pflegekosten zur Last fielen. Oder auch die "Krankenkasse", welche dank den finanziellen Leistungen im Krankheitsfalle Haushaltungen vor dem finanziellen Ruin bewahren konnte.
Die private und nicht-staatliche Fürsorge entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in Worb immer weiter. Sie vermochte die staatliche Armenhilfe zu entlasten, konnte die Armut aber nicht besiegen. Aber vielleicht wollte sie dies auch nicht. Immer noch standen Armut und Not für nichtkonformes Verhalten, Selbstverschulden und oft für die moralische Minderwertigkeit der Betroffenen. Diesen zu helfen war eine tugendhafte Tat, auf welche der begüterte Teil der Gesellschaft auch nicht verzichten wollte.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Forschungsstand
1.2 Definition des Untersuchungsgegenstandes: private, freiwillige und nichtstaatliche Fürsorgeinstitutionen in Worb im 19. Jahrhundert
1.3 Quellenlage, Leitfragen und Methode
2 ARMUT UND ARMENFÜRSORGE BIS ZUM ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS
2.1 Armut: Begriff, Ursachen und Betrachtungsweisen
2.2 Armut und Armenpolitik vor 1800
2.2.1 Freiwillige und unfreiwillige Armut
2.2.2 Armut und Arbeit
2.2.3 Armenpolitik im 18. Jahrhundert
2.2.4 Philantropie und Armenfürsorge
2.3 Massenarmut und die Soziale Frage im 19. Jahrhundert
2.3.1 Die Armut der Arbeiter
2.3.2 Die Armut in der Schweiz
2.3.3 Armut, Gesetz und Gesellschaft
2.3.4 Sozietäten, Vereine und Armenfürsorge
2.4 Armut und Armenpolitik im Kanton Bern im 19. Jahrhundert
2.4.1 Alte Armut
2.4.2 Alte und neue Armut
2.4.3 Neue Armut
2.4.4 Die Verordnung über die Besorgung der Armen von 1807
2.4.5 Liberalismus und Armenfürsorge
2.4.5.1 Begriffliches
2.4.5.2 Der Liberalismus in der Schweiz
2.4.6 Das Armengesetz von 1847
2.4.7 Die Reform von 1857
2.5 Die private Armenfürsorge
3 ARMENFÜRSORGE IN WORB IM 19. JAHRHUNDERT
3.1 Die staatliche Armenfürsorge
3.1.1 Von der Verordnung über die Armen bis zum Gesetz von 1847
3.1.2 Die Armenreform von Johann Rudolf Schneider von 1847
3.1.3 Das Armengesetz von 1857
3.1.3.1 Die Notarmenpflege
3.1.3.2 Die Dürftigenpflege
3.2 Die privaten, freiwilligen und nichtstaatlichen Fürsorge- institutionen in Worb im 19. Jahrhundert
3.2.1 Die Musanstalt 1816/17
3.2.2 Der "Hülfsverein" 1829/30
3.2.3 Der Brotverein 1847 bis 1850
3.2.4 Der Armenverein 1851 bis 1857
3.2.4.1 Arme Durchreisende in Worb
3.2.4.2 Die Ökonomie des Armenvereins
3.2.5 Die Armenerziehungsanstalt Enggistein
3.2.5.1 Die Zöglinge
3.2.5.2 Die Hausväter
3.2.5.3 Die Hilfslehrer
3.2.5.4 Entwicklung und Ökonomie der Anstalt
3.2.6 Der Kranken- und Hilfsverein Worb und umliegende Gemeinden
3.2.6.1 Die Leistungen
3.2.6.2 Die Versicherten
3.2.7 Der Allgemeine Krankenverein Worb
3.2.8 Der Mädchenwaisenfonds
3.2.9 Der Krankenstubenfonds
3.2.10 Die Speisung armer Schulkinder
3.3 Personelle Vernetzungen
3.3.1 Die Beteiligten
3.3.2 Ihre Leistungen
4 ZUSAMMENFASSUNG UND INTERPRETATION
4.1 Drei-Phasen-Modell
4.1.1 Phase 1: 1807 bis 1847
4.1.2 Phase 2: 1847 bis 1857
4.1.3 Phase 3: 1857/60 bis 1900
4.2 Schluss
5 BIBLIOGRAPHIE
5.1 Quellen
5.1.1 Ungedruckte Quellen
5.1.2 Gedruckte Quellen
5.2 Literatur
6 ANHANG
6.1 Frauenvereine in Worb
6.2 Zöglingsverzeichnis der Anstalt Enggistein von 1861 bis 1900