Unter den ab 1950 in Betrieb gestellten Neubau-Dampflokomotiven der Deutschen Bundesbahn nimmt die Baureihe 23 in vielfältiger Weise eine Sonderstellung ein. Die zeitgenössische Beurteilung, aber auch manche Stimme in der Gegenwart sparen nicht mit Kritik an der 23: Sie sei zu spät gekommen und wurde nicht mehr gebraucht, ihre Verbrauchswerte und Leistungen seien kein Fortschritt gewesen. Die Realität sah freilich anders aus: Als reine Personenzuglokomotive konstruiert, musste die 23 bis zum Ende der 1950er Jahre bei mehreren Bahnbetriebswerken als "Behelfs-Schnellzuglok" den empfindlichen Mangel an Schnellzuglok-Baureihen ausgleichen. In diesen herausfordernden Umlaufplänen drangen die 23 in monatliche Kilometerleistungen vor, die bislang den großrädrigen 01 und 03 vorbehalten waren! Ihre Verbrauchswerte waren in diesen Jahren ausgesprochen günstig, ihre Zugkraft beim Personal geschätzt.
Historische Bedeutung gewinnt die Baureihe auch dadurch, dass die letzte an die DB abgelieferte Dampflokomotive eine 23 war: 23105. Die Fähigkeiten der 23 unterstreicht die Tatsache, dass sie unter allen Neubau-Dampflokomotiven der DB am längsten im Einsatz war: 25 Jahre von 1950 bis 1975. Und, nicht zu vergessen: Auch heute noch, 72 Jahre nach ihrem Erscheinen, können wir fünf 23er bei verschiedenen Museumsbahn-Vereinen im Betrieb erleben - ein trefflicher Beweis für die Solidität der Baureihe. Frank Lüdecke entwirft im neuesten EK-Baureihenbuch ein facettenreiches Panorama dieser bemerkenswerten Dampflok. Von der Entstehungsgeschichte spannt sich ein faszinierender Bogen von der Technik, den Versuchsfahrten, dem Betriebsmaschinendienst, den zahlreichen Bauartänderungen und den Lebensläufen bis zum Einsatz bei den Bahnbetriebswerken und den heutigen Museumslokomotiven.
Über 600 sorgfältig ausgewählte, größtenteils unveröffentlichte Abbildungen auf 386 Seiten illustrieren den Einsatz dieser besonderen Schöpfung des deutschen Dampflokomotivbaus.