Eine Pfarrerstochter war Kanzlerin, ein ehemaliger Pfarrer Bundespräsident. Zufall? Seit Martin Luther den Zölibat verwarf, stieg das deutsche Pfarrhaus zum Paradigma christlichen Zusammenlebens auf. Als Hort der Bildung und Bollwerk gegen säkularen Sinnverlust wurde es auch gesellschaftlich relevant: religiöses Biotop und politischer Gegenentwurf, bürgerliche Enklave und antibürgerlicher Kampfschauplatz. Und nicht zuletzt Heimat so unterschiedlicher Pfarrerskinder wie Albert Schweitzer, Friedrich Nietzsche oder Gudrun Ensslin.
Die Geschichte des deutschen Pfarrhauses erzählt von einem geistigen Reizklima mit hohem Wertepotenzial. Glaube, Liebe, Hoffnung, aber auch Kritik, Einspruch und Radikalität das sind offenbar wieder attraktive Optionen in Zeiten des unverbindlichen Pragmatismus.
Dieses Buch ist ein Streifzug durch die Welt des Pfarrhauses, in dem Dichter wie Lessing und Hesse aufwuchsen, in dem die Künste und die Wissenschaft zu Hause waren und das in der jüngeren Geschichte seine Eigenständigkeit bewies, als es in der DDR zum Schutzraum der Opposition wurde. Zu Wort kommen auch Pfarrer und Pfarrerskinder, die aus dem Kosmos des Pfarrhauses berichten und deutlich machen: Es wird nie ein Haus wie jedes andere sein.
Christine Eichel studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft und wurde mit einer Arbeit über Theodor W. Adorno promoviert. Sie war Fernsehregisseurin, Gastprofessorin der UdK Berlin und leitete die Kulturressorts der Magazine Cicero und Focus. Sie lebt als Autorin, Moderatorin und Publizistin in Berlin, hat zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht und legt hier den Spannungsroman der Saison vor.