Fünfzehn Jahre wie ein Jahrhundert - ein aufregend neuer Blick auf das kurze Leben zwischen den Kriegen.
Deutschland 1918. Ende des Ersten Weltkriegs, Revolution, Sieg der Demokratie. Zugleich beginnt ein Siegeszug befreiter Lebensweisen. Alles soll von Grund auf anders werden: die Neue Frau, der Neue Mann, Neues Wohnen, Neues Denken. Als es Mitte der Zwanziger auch wirtschaftlich aufwärts geht, wird Deutschland ein anderes Land. Frauen erobern die Rennpisten und Tennisplätze, gehen abends alleine aus, schneiden sich die Haare kurz und denken nicht ans Heiraten. Unisex kommt in Mode, Androgynes und Experimentelles. Jähner erzählt von der Erfindung der Freizeit, von Boxhallen und Tanzpalästen, und von den Hotspots der Neuen Zeit, vom Büro und Großstadtverkehr, vom Warenhaus als Glücksversprechen oder der Straße als Ort erbitterter Kämpfe.
So vieles wirkt heute verblüffend modern. Die Vorliebe für Ironie, das Gradlinige und Direkte. Aber auch die Angst vor der »Entwertung aller Werte«, der Herrschaft des Billigen. Ein großer Teil der Deutschen findet sich im Aufbruch nicht wieder. Als das Geld knapper wird und die Zukunft düsterer, offenbart sich die tiefe Spaltung der Gesellschaft und die Unfähigkeit, sie auszuhalten.
Harald Jähner liefert eine Gesamtschau dieser so pulsierenden, reichen Zeit, wie es sie bislang nicht gab - und zeichnet das Bild eines zerrissenen Landes voll gewaltiger und erschreckender Energien. Es ist uns irritierend ähnlich und - hoffentlich - doch ganz anders.
Harald Jähner, Jahrgang 1953, war bis 2015 Feuilletonchef der Berliner Zeitung, zugleich Honorarprofessor für Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. 2019 erschien das Buch Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955, das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde und monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste stand; es erschien in mehreren Ländern, darunter USA und England, wo es für den Baillie-Gifford-Preis nominiert ist. Wolfszeit soll als Serie verfilmt werden.