Michael Borgolte, geb. 1948, ist emeritierter Professor für Geschichte des Mittelalters an der Humboldt-Universität zu Berlin (1991-2016), außerdem Gründer des Instituts für Islamische Theologie im Auftrag der HU (2017-2021). Seit 2005 ist er Ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2011 erhielt er den Advanced Grant des European Research Council, seit 2013 ist er Ordentliches Mitglied der Academia Europaea.
Veröffentlichungen u.a.: Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends (2022, 2. Aufl. 2023); Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Von 3000 v.u.Z. bis 1500 u.Z. (2017, engl. 2020); Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes 300 bis 1400 n. Chr. (2006); Europa entdeckt seine Vielfalt, 1050-1250 (2002).
Europa als Kommunikationsgemeinschaft entstand auch durch die Ehen von Königstöchtern mit Herrschern anderer Reiche - ihre Rolle als »Heiratsmigrantinnen« gestalteten die Frauen mitunter sehr selbstbewusst.
»Politische« oder »diplomatische« Ehen sind keine mittelalterliche Erfindung, sondern begleiten seit jeher die Weltgeschichte. Fast immer war eine solche Eheschließung verbunden mit dem Umzug der Frauen ins Land des Mannes - nur selten war es umgekehrt. »Europa« als Kommunikationsgemeinschaft meist christlicher Staaten ist auch durch das Netzwerk jener Heiraten entstanden.
Dieser Befund ist längst bekannt, die spinnennetzförmigen Beziehungen sind immer wieder nachgezeichnet worden. Erstmalig werden hier jedoch die Anfänge der europäischen Bündnisse zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert mit Fokus auf in dieser Zeit geschlossene politische Ehen erzählt. Dabei zeigt Michael Borgolte insbesondere auf, wie die betreffenden Frauen im Rahmen der ihnen zugedachten Rolle agierten. Durch biografische Skizzen wird deutlich, dass die meisten die ihnen gestellte Aufgabe annahmen, andere sich auflehnten, sehr viele aber ihren Status als »Heiratsmigrantin« auch als eine Chance zur Gestaltung des eigenen Lebens nutzten. Diese Option bot sich ihren unverheirateten, in der Heimat zurückgebliebenen oder im Kloster lebenden Schwestern nicht. Nicht zuletzt geht es hier also - mit dem Problembewusstsein unserer Zeit - um den Umgang mit frühmittelalterlichen Migrantinnenschicksalen.