"Es ist ein alter Satz, daß in einer logischen Beweisführung, die irgend ein Thema der Moral zum Gegenstande hat, kein Platz für das Beispiel ist; noch älter aber ist die Wahrheit, daß fürs Volk der beste Beweis das Beispiel ist: was tiefsinnige Schlüsse nimmer vermögen, das bewirkt die einfache Erzählung. Diese Wahrheit hat sich auch die christliche Kirche zu nutze gemacht. Schon Gregor der Große empfiehlt dem Prediger die Verwendung des Exempels, d. h. der dem Zwecke des Beweises dienenden Erzählung.
Die predigenden Bischöfe und Kleriker haben denn auch den Rat Gregors befolgt. Anfänglich war wohl die Quel für diese Exempel nur die heilige Schrift, sowohl das neue, als auch das alte Testament, später gaben die Heiligenlegenden eine willkommene Ergänzung und Abwechslung. Je weniger dann die Kirche von dem untergehenden Heidentume zu fürchten hatte, desto mehr wurden die alten Klassiker, ja selbst die mythologischen Traditionen der Griechen und Römer dem löblichen Zwecke dienstbar gemacht, bis endlich mit der Tierfabel der Kreis der zur Verwertung in der Predigt geeigneten Stoffe geschlossen zu sein schien. Dies gilt fast bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts."
Dieses Buch über die Erzählungen aus geistlichen Schriften des 13. Jahrhunderts ist ein unveränderter Nachdruck der Originalausgabe von 1909.