Quantentheorie und Relativitätstheorie sind Meilensteine der theoretischen Physik. Sie beschreiben eine Welt, die unsere Alltagserfahrungen radikal in Frage stellt. Gerade für die Kunst, deren Ziel es ist, das Gewohnte und Vertraute in eine produktive Krise zu versetzen, bieten sie eine schier unerschöpfliche Inspirationsquelle.
Ein Wissenschaftler und ein Künstler unternehmen gemeinsam einen ausgedehnten Spaziergang durch die Natur. In ihren angeregten Gesprächen, die sie Zeit und Raum vergessen lassen, entdecken sie nach und nach erstaunliche strukturelle Parallelen zwischen den Gesetzen der Physik und der Kunst. Sie tauchen gemeinsam in die Welt der subatomaren Teilchen sowie der überdimensionalen kosmischen Zusammenhänge ein und staunen nicht schlecht über das kleine und große Universum als einer einzigen Symphonie aus Schwingungen und geistigen Klangformationen.
Was haben ein Atom und die Gesetze der Komposition gemein? Was verbindet die unglaublichen Eigenschaften der Suprafluidität mit den Werken eines Mark Rothko? Inwieweit kann die Unschärferelation Heisenbergs zu einer Methode der künstlerischen Forschung avancieren? Was haben Farbklänge mit den Erkenntnissen der Spektroskopie zu tun? Inwieweit kann Schwingung nicht nur materielle, sondern auch geistige Gegenstände erzeugen? Welche Parallelen bestehen zwischen Resonanz und bildnerischem Klang? Welche kunstrelevanten Erkenntnisse lassen sich aus der Vorstellung eines symmetrischen Urzustands des Universums ableiten? Worin besteht die Äquivalenz zwischen Energie und Materie in der Kunst? Vermag Kunst die Gesetze der Thermodynamik aus den Angeln zu heben? Was bedeutet Spannung für die Kunst? Inwieweit ist der Goldene Schnitt ein Instrument der Welterkenntnis? Warum sind die Gesetze der Quantenverschränkung für die Kunst eigentlich nichts Ungewöhnliches? In welcher Hinsicht bestimmen Winkelverhältnisse die Struktur unseres materiellen und geistigen Lebens? Farbe als ¿Wirk¿? ... etc. etc.
Der Leser erfährt die Erkenntnisse der theoretischen Physik sowie der Kunsttheorie nicht als reines Faktenwissen, sondern als Bildungsgut, das neue Perspektiven des Denkens eröffnet. Dieses Buch richtet sich daher an alle, die bereit sind, transdisziplinäre Brücken zu schlagen, auf denen man zu Einsichten gelangt, die die spezialisierten Fächer für sich nicht bieten können, die aber zugleich eine offenkundige gemeinsame wissenschaftliche Basis besitzen.
Michael Becker ist Leiter der Wiesbadener Freien Kunstschule, die 1972 von seinem Vater aus Protest gegen mangelnde Grundlagenausbildung an Akademien und Hochschulen ins Leben gerufen wurde. Er vertritt die Überzeugung, dass vergleichbar zur musikalischen Ausbildung ein perfektes Handwerk und eine kreativitätsfördernde Theoriebildung auch für eine bildnerisch-künstlerische Ausbildung grundlegende Lehrziele sein müssen.
Auch seine Promotion beschäftigt sich mit den professionellen Grundlagen einer künstlerischen Ausbildung. Krise und Autonomie hängen für ihn unverbrüchlich miteinander zusammen.