¿Jedermann¿ ist neben dem ¿Rosenkavalier¿ Hugo von Hofmannsthals populärstes Werk. Millionen haben ¿Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes¿ auf dem Domplatz von Salzburg und anderswo gesehen, Hunderttausende das Stück gelesen. Mit diesem Werk hat sich der Wunsch des Dichters nach Volkstümlichkeit erfüllt: nach dem »Spiel vor der Menge«, nach einer Kunst, die das Trennende von Gesellschaftsklassen und Bildungsstufen aufhebt und zu allen spricht. Diese ernste Volkstümlichkeit ist weder künstlich noch naiv. Wie immer bei Hofmannsthal eröffnen sich auch hier Perspektiven der Weltliteratur: Jedermann kommt von weit her. Als Vorlage diente eine alte englische »Moralität«, die neben einer niederländischen und einer niederdeutschen Version überliefert ist.
Hofmannsthal hat mehr angestrebt als bloße Erbauung. In einer Zeit scheinbar unangefochtenen Wohlstandes spürte er Fragwürdigkeiten und Bedrohungen des bestehenden; in der Gestalt und Funktion des Mammon werden Gesellschaftskritik, ja antikapitalistische Kritik deutlich. Und fürs lebende Theater hat Hofmannsthal das alte Spiel erneuert: Max Reinhardt regte seine Kunst an und realisierte sie. 1911 hat er ¿Jedermann¿ in Berlin im Zirkus Schumann uraufgeführt. Seine Verwirklichung fand das Werk in Salzburg. 1920 wurde es dort zum ersten Mal vor der Fassade des Doms gespielt, vor ihren steinernen Figuren, zu denen sich die Figuren der Darsteller gesellten. Hofmannsthal und Reinhardt fügten eine ganze, unvergleichliche Stadt, ihre Architektur, ihre Glocken, ihre Luft, ins Kunstwerk für alle ein.
Hugo von Hofmannsthal, 1874 in Wien geboren, gewann mit seinen Gedichten und Dramen schon in jungen Jahren hohes Ansehen. Nach der Jahrhundertwende wandte sich Hofmannsthal vom Ästhetizismus ab und begann eine intensive Auseinandersetzung mit der europäischen Literaturtradition. Mit seinen Dramen, u.a. »Jedermann«, und seinen Opernlibretti für Richard Strauss, u.a. »Der Rosenkavalier« und »Ariadne auf Naxos«, wurde er weltberühmt. Er starb 1929 in Rodaun bei Wien.