Die Weimarer Republik, deren Gründung sich nun zum 100. Mal jährt, ist dafür bekannt, furios gescheitert zu sein. Um das Scheitern der ersten deutschen Demokratie zu erklären, rekonstruiert diese Untersuchung das Denken der Zeit anhand des Begriffs der Kontingenz. Dabei entstehen zehn Porträts - von Oswald Spengler über Ernst Jünger bis hin zu Walter Benjamin und Carl Schmitt -, die eine tief gehende Einführung in das politische Denken der Zeit bieten. Zugleich wird an ihnen deutlich, wie das Denken in den 1920er-Jahren dazu beitrug, die Republik zu destabilisieren. Gerade heute sind diese Überlegungen von höchster Relevanz.
PD Dr. Michael Geronimo Festl ist seit 2013 Ständiger Dozent für Philosophie an der Universität St. Gallen.
Inhalt
Vorwort 9
Der Erste Weltkrieg als deutscher Kontingenzschock und die Rolle der Demokratie 11
Kontingenz im politischen Denken Weimars
Einleitung 19
I Leugnungsmodell der Kontingenz 23
1 Oswald Spenglers vollendetes Abendland 23
1.1 Der Prophet, der nur im eigenen Land was wert war 23
1.2 Spenglers politische Philosophie 26
1.3 Spenglers politische Philosophie und ihre morphologische Notwendigkeit 40
1.4 Leugnungsmodell I: Morphologie der Hochkulturen 52
2 Georg Lukács' geschichtsphilosophische Totalität 59
2.1 Schöpferisch und zerstörerisch 59
2.2 Dogmatik: Soziologisch versierte Geschichtsphilosophie 62
2.3 Prognostik: Lukács in Weimar 82
2.4 Leugnungsmodell II: Kontingenter Schein, notwendiges Sein 97
II Aufdeckungsmodell der Kontingenz 102
3 Stefan Georges und Ernst Kantorowicz' Geheimes Deutschland 103
3.1 Der politische George 103
3.2 Grundzüge des Geheimen Deutschland 105
3.3 Die Restitution Friedrichs II. 121
3.4 Kantorowicz' Geheimes Deutschland im Angesicht des nationalsozialistischen Deutschland 144
3.5 Aufdeckungsmodell I: Die notwendige Wiederkunft des Ewigen 147
4 Arthur Moeller van den Brucks totalitäre Demosympathie 151
4.1 Wenn ich König von Deutschland wär'... 151
4.2 Deutschlands zweites Reich und sein Untergang 153
4.3 Der Weg zu Deutschlands drittem Reich 157
4.4 Deutschlands drittes Reich als totalitäre Demosympathie in welterrettender Absicht 165
4.5 Moellers Patrimonium: Edgar Julius Jung als Theoretiker der Präsidialdiktatur 172
4.6 Aufdeckungsmodell II: Den Willen erfühlen 178
III Produktivitätsmodell der Kontingenz 183
5 Ernst Jüngers Planet des Arbeiters 184
5.1 Ein Jahrhundert voll von Krieg 184
5.2 Methodik: Expressionistische Sachlichkeit 185
5.3 Diagnostik: Geschichtsphilosophie als physisch-instrumenteller Nihilismus 191
5.4 Vision: Im technisch perfektionierten Universum des Arbeiters 200
5.5 Produktivitätsmodell I: Erst Kontingenz, dann Präzision 208
6 Walter Benjamins schöpferischer Messianismus 213
6.1 Nachruhm statt Ruhm 213
6.2 Der Messianismus 216
6.3 Das Schöpferische 230
6.4 Produktivitätsmodell II: Schöpfung ohne Kontingenz 248
IV Entscheidungsmodell der Kontingenz 252
7 Ernst Robert Curtius' ewiger Humanismus 253
7.1 König des Wunschdenkens 253
7.2 Der ewige Humanismus und seine neuesten Feinde 256
7.3 Die Essenz des ewigen Humanismus 262
7.4 Der ewige Humanismus und seine aktuellen Erfordernisse 273
7.5 Entscheidungsmodell I: Unmittelbare Substanz durch humanistischen Geist 277
8 Carl Schmitts Entscheidungsmonopol 280
8.1 Der produktivste Schmitt 280
8.2 Theorie: Der ideale Staat im Zeitalter der Demokratie 283
8.3 Subsumtion: Die Beurteilung der Weimarer Republik 301
8.4 Entscheidungsmodell II: Mittelbare Substanz durch politische Form 317
V Dynamikmodell der Kontingenz 321
9 Hans Kelsens antiideologischer logischer Positivismus 322
9.1 Weimars liebster Prügelknabe 322
9.2 Wissenschaftstheoretische Basis 324
9.3 Reine Rechtslehre 330
9.4 Fast reine Demokratielehre 341
9.5 Reinheit um der Ideologiekritik willen 359
9.6 Dynamikmodell I: Demokratie rigoros-relativistisch 363
10 Rabindranath Tagores dynamische Versöhnung 368
10.1 Eine große Nummer 368
10.2 Analyse des Ersten Weltkriegs 373
10.3 Die Metaphysik hinter der Analyse 392
10.4 Dynamikmodell II: Melioristisches Sein, relativistische Wirkung 406
Die geistige Destabilisierung Weimars und ihre Lehren
Einleitung 417
1 Futter für die politische Apathie 419
2 Die kalten Pole auf dem autoritär-wehrlos Kontinuum 422
3 Ein demokratiebefördernder Umgang mit Kontingenz 426
4 Relatives Optimum 434
Literatur 437