Das römische Reich stieg infolge seiner Siege über Karthago im 2. Jahrhundert vor Christus zur unangefochtenen Herrschaft über die antike Welt auf und erreichte im 2. Jahrhundert nach Christus seine größte territoriale Ausdehnung. Dennoch nahm sich die römische Geschichtsschreibung dieser Zeit keineswegs nur der Darstellung politischer und militärischer Erfolge an. Ihr Ton ist vielmehr von der beinahe allgegenwärtigen Behauptung geprägt, dass die Römer der Gegenwart ihren eigenen Vorfahren in vielfacher Hinsicht unterlegen seien. Diese Rede über die eigene Dekadenz gilt als ein herausragendes Merkmal der römischen Geschichtsschreibung und hat die Rezeptionsgeschichte des antiken Roms erheblich geprägt.
Benjamin Biesinger stellt daher die Frage, weshalb Dekadenzerzählungen für die Autoren römischer Geschichtsschreibung anhaltend attraktiv blieben und wie diese ihren Lesern plausibel gemacht werden konnten. Mit einem Blick auf die historiographischen Werke der Autoren Cato maior, Sallust, Livius, Velleius Paterculus und Tacitus kann der Autor zeigen, dass solche Niedergangserzählungen ihre entscheidende Wirkung immer auf dem politischen Sektor der Gegenwart entfalteten.