Der mittelalterliche Text Scala divini amoris ist uneingeschränkt sinnen- und leibfreundlich. Kein anderes Werk räumt der sinnlichen Wahrnehmung eine so zentrale Bedeutung für den spirituellen Weg ein.
Zwar war es christlicher Spiritualität nie völlig verborgen, dass Sinne Wege sind, die zu Gott führen. Liturgie und religiöse Kunst leben seit jeher von verdichteter Sinnlichkeit. Das Besondere an diesem Text ist, dass der darin gezeichnete Weg zur göttlichen Liebe in intensiver Weise über die fünf Sinne und die vier Elemente führt. Und dass er nicht von Angst und Leistungsdruck bestimmt ist, sondern von Freude und Gelassenheit.
Indem er Poesie und spirituelle Anleitung auf diskrete Weise verbindet, schafft er einen offenen Raum für die heutige Lektüre. Ein einzigartiges Zeugnis christlicher Spiritualität.
Simon Peng-Keller, Dr. theol., ist Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich. Er begleitet zusammen mit seiner Frau kontemplative Exerzitien und einen Ausbildungskurs zur christlichen Kontemplation.