Frank Bösch ist Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam und Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF). Bei C.H.Beck erschien bereits der SPIEGEL-Bestseller "Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann" (6. Auflage 2019, C.H.Beck Paperback 2. Auflage 2020).
Einleitung
Mit Diktaturen umgehen
1. Jubel, Handel und Zensur:
Iran und autokratische Partner in der Ära Adenauer
2.Eingeschränkte Nähe:
Francos Spanien und Salazars Portugal
3. Abgrenzung und erste Kontakte:
Die sozialistischen Diktaturen
4. Nieder mit dem Schah:
Migrantische Proteste in den 1960ern
5. Breiter Protest:
Griechenlands Diktatur (1967-1974)
6. Entführungen und Sanktionen:
Der Umgang mit Südkoreas Diktatur (1967-1987)
7. Die deutsche Sektion von Amnesty International
8. Solidarität und Flüchtlingshilfe für Chilenen unter Pinochet
9. Grenzen der Menschenrechte
Lateinamerika und Afrika
10. Öl und Terrorismus
Gaddafis Libyen
11. Neue Annäherungen:
Aporien der Ostpolitik
12. Partnerschaft und kritische Kooperationen:
China unter Deng
13. Ausblick:
Die Deutschen und die Diktaturen in einer globalisierten Welt
Umkämpfte Partner:
Ein Fazit
Dank
Anhang
MIT DIKTATOREN REDEN. EINE ANDERE GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK
Der Umgang mit Diktatoren - von rechten Generälen über kommunistische Generalsekretäre bis hin zu den Autokraten der «Dritten Welt» - hat die bundesdeutsche Demokratie von Anfang an herausgefordert. Frank Bösch zeigt auf der Grundlage umfassender Archivrecherchen, welche Interessen dabei öffentlich und in den Hinterzimmern im Spiel waren und über welche offiziellen und obskuren Kanäle Deals eingefädelt wurden. Er beschreibt, wie die Öffentlichkeit beeinflusst wurde, wie sie reagierte und wie unter gesellschaftlichem Druck allmählich Werte und Sanktionen eine größere Rolle spielten. Seine fulminante Darstellung ist eine Augen öffnende «andere» Geschichte der Bundesrepublik.
Dezember 1964: Der kongolesische Ministerpräsident Tschombé wird feierlich in Berlin empfangen. Demonstranten stürmen über die Absperrungen. Den "Mörder von Lumumba" trifft eine Tomate "voll in die Fresse", wie Rudi Dutschke mit Genugtuung notiert. Für Dutschke war dies der "Beginn unserer Kultur-Revolution". Nachdem in den fünfziger Jahren die «Kaiser» aus Iran und Äthiopien bejubelt worden waren, führten in den Sechzigern Proteste von oppositionellen Migranten, antikolonialen Gruppen oder auch von Amnesty International zu einer stärker wertebasierten Diplomatie mit Diktatoren: Handel ja, aber bitte auch Freilassung einzelner Oppositioneller. Frank Bösch zeigt in seinem glänzend geschriebenen Buch, wie sich in den Jahrzehnten nach dem Nationalsozialismus im Umgang mit Diktaturen wirtschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Interessen zu einem Schlingerkurs verschränkten, dessen Widersprüche und Folgen uns bis heute beschäftigen.
"Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang." Franz Josef Strauß nach dem Putsch Pinochets 1973