Holger Gzella ist Ordinarius für Alttestamentliche Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er gehört weltweit zu den renommiertesten Experten für die aramäische Sprache, hatte von 2005 bis 2019 den Lehrstuhl für Hebräisch und Aramäisch an der Universität Leiden inne und ist Ordentliches Mitglied der Academia Europaea sowie der Königlich-Niederländischen Akademie der Wissenschaften.
DIE ERSTE WELTSPRACHE - EINE KULTURGESCHICHTE
Die aramäische Sprache ist ein Wunder: Ganz ohne militärische Eroberungen wurde sie im ersten Jahrtausend v. Chr. zur Verwaltungssprache des persischen Großreichs und damit zur ersten Weltsprache überhaupt. Holger Gzella, weltweit einer der besten Kenner des Aramäischen, erklärt, warum sich Sprache und Schrift eines politisch unbedeutenden Territoriums von Nordafrika bis Indien durchsetzten konnte und wie es zu einem zweiten Wunder kam: In der Weltsprache Aramäisch wurden Schriften mit einer universalen Botschaft verfasst, die aus lokalen Kulten die ersten Weltreligionen machten. Das anschaulich geschriebene Buch lässt auf faszinierende Weise das unsichtbare Gewebe erkennen, das die Kultur des Altertums geprägt hat und die großen Religionen bis heute verbindet.
Das Aramäische war über tausend Jahre lang die Lingua franca zwischen Indus und Nil, ja mehr noch: Durch mächtige Netzwerke von Beamten und Schreibern prägte es Politik, Recht, Literatur und Religion der Alten Welt. Wichtige Teile des Alten Testaments sind auf Aramäisch geschrieben, Jesu Muttersprache war Aramäisch, das rabbinische Judentum war zum großen Teil aramäischsprachig, und die orientalischen Kirchen sind (teils bis heute) ohne das Aramäische als Literatur- und Liturgiesprache nicht zu denken. Im 7. Jahrhundert schließlich wurde das Aramäische vom Arabischen, der Sprache des Korans, als Leitsprache des Orients abgelöst.Die aramäische Sprache ist in Forschung und öffentlicher Wahrnehmung zu Unrecht ins Abseits geraten. Holger Gzellas faszinierende Gesamtdarstellung bringt ein «vergessenes Weltreich» zum Vorschein, das in den Weltreligionen bis heute weiterlebt.
Vorwort
1. Ein unsichtbares Weltreich
Aramäisch und seine Quellen
Raum und Zeit
Sprecher und Schreiber
2. Die Wiege der aramäischen Schrift (9.-8. Jahrhundert)
Eine neue Schrift für eine neue Welt
Vom Alphabet zur Schriftkultur
Der Beginn literarischer Aktivität
3. Assyrien und Babylonien: Alphabetschreiber erobern die Welt (7.-6. Jahrhundert)
Die Entstehung einer assyrisch-aramäischen Verwaltungskultur
Unsichtbares Wachstum in babylonischer Zeit
Weisheit und höhere Bildung: Das Ideal des aramäischen Schreibers
4. Das Perserreich: Die Herrschaft des Buchstabens (5.-4. Jahrhundert)
Reichsaramäisch als Lingua franca
Korrespondenz mit imperialer Signatur
Das Selbstbewusstsein der achämenidischen Beamten
5. Israel: Vom Buchhalter zum Seher (4. Jahrhundert v. Chr.-1. Jahrhundert n. Chr.)
Schriftgelehrsamkeit in der Perserzeit: Das Buch Esra-Nehemia
Weltweisheit in hellenistischer Zeit: Erleuchtung im aramäischen Danielbuch
Aramäische Texte aus Qumran, hellenistische Wissenschaft und die Sprache Jesu
6. Syrien und Mesopotamien: Staatsdiener als Träger der Tradition (3. Jahrhundert v. Chr.-3. Jahrhundert n. Chr.)
Das intellektuelle Leben in Palmyra
Die Ursprünge der syrisch-christlichen Literatur in Edessa
Ostmesopotamien: Hatra, Stadt der Bürokraten
7. Das Schrifttum als geistiger Raum der Religionen (ab 4. Jahrhundert n. Chr.)
Hocharamäisch im syrischen Christentum
Aramäisch als zweite heilige Sprache im Judentum
Das Geheimwissen der Mandäer
8. Von der aramäischen zur arabischen Weltsprache (1. Jahrtausend v. Chr.-2. Jahrtausend n. Chr.)
Die Nabatäer: Nordarabiens Brücke in die aramäische Sprachwelt
Die nabatäischen Ursprünge der arabischen Schriftsprache
Aramäisch und Arabisch in der islamischen Welt
9. Alte Sprache, neues Leben
Das Biotop der Dialekte
Neubeginn aus der Tradition
Coda: Anatomie einer Weltsprache
Anhang
Zeittafel der relevantesten politischen Ereignisse
Zeittafeln zur Geschichte des Aramäischen
Anmerkungen
Literatur
Bildnachweis
Register