Friedrich Wilhelm Graf ist Professor em. für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war Vorsitzender der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft und ist geschäftsführender Herausgeber der Kritischen Gesamtausgabe der Werke Ernst Troeltschs. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. "Kirchendämmerung" (2013), "Götter global" (2014) sowie "Der Protestantismus" (2017).
DER GROSSE THEOLOGE ERNST TROELTSCH - FRIEDRICH WILHELM GRAFS MEISTERHAFTE BIOGRAPHIE
Ernst Troeltsch (1865 - 1923) ist einer jener Riesen, auf deren Schultern so viele Gelehrte stehen, dass ihr eigenes Bild unscharf wird. Der renommierte Theologe, Historiker und Troeltsch-Experte Friedrich Wilhelm Graf verleiht in seiner meisterhaft geschriebenen Biographie einem Theologen, Soziologen, liberalen Politiker und Zeitdiagnostiker scharfe Konturen, den die Frage umtrieb, wie sich Religion und Moderne - trotz aller Widerstände von beiden Seiten - in ein zeitgemäßes Verhältnis zueinander setzen lassen. Weit über Leben und Werk Ernst Troeltschs hinaus ist seine Biographie ein bestechend klarer Beitrag zu einem bis heute virulenten Problem.
Als Religionssoziologe und Historiker steht Ernst Troeltsch im Schatten seines Heidelberger Freundes und Kollegen Max Weber. Konnte er als Theologe überhaupt ein «wertneutraler» Sozialwissenschaftler sein? Oder war er gar kein richtiger Theologe? Beides zusammenzubringen irritiert bis heute und war doch, wie Friedrich Wilhelm Graf zeigt, Troeltschs ureigenes Anliegen, das für ihn politische Bedeutung hatte. Troeltsch erforschte die Kulturbedeutung der Religion, um den Protestantismus aus traditionellen kirchlichen und dogmatischen Bindungen zu befreien. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er als liberaler Politiker für die Weimarer Republik ein und rückte in seinen berühmten zeitdiagnostischen Kommentaren die Probleme der Gegenwart in einen «Welthorizont». Graf rekonstruiert die lebens- und werkgeschichtlichen Konstellationen, die den liberalen Protestanten prägten, und erhärtet damit auf brillante Weise Ernst Troeltschs Überzeugung, dass sich die eigentliche Bedeutung einer Person oder Sache erst in ihrer konsequenten Historisierung erschließt.
Einleitung: Der Vielspältige
1 Jugend in Melanchthons Reichsstadt
2 Lutherischer Neuhumanismus: Das Gymnasium bei St. Anna
3 Die ersten Anderen: Katholische Patres und «Kinder der Welt»
4 Auf dem Weg zur Wahrheit: Das Studium
5 Vikar im Glaspalast
6 Die «Kleine Göttinger Fakultät»
7 Luthers Glaubenswacht am Rhein: Extra-Ordinarius in Bonn
8 Seelische Revolutionen: Jungordinarius in Heidelberg
9 «Es wackelt alles»: Der Neubau der Theologie
10 «Meet me at the Fair»: Reise in die Neue Welt
11 Arbeit am Protestantismus
12 Geistesgegenwart im «Weltdorf» Heidelberg
13 Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen
14 Viel Kapital: In Heidelberg ganz oben
15 Die Dinge aus der Nähe kennengelernt: Im Karlsruher Ständehaus
16 Vom wilhelminischen Mandarin zum Großstadtintellektuellen: Ordinarius in Berlin
17 Deutscher Geist und Westeuropa: Im Großen Krieg
18 «Ein Saustall»: Zwei Jahre im preußischen Kultusministerium
19 «Die ganze Welt wird anders»: Berliner Spectator
20 Die zweiten Anderen: Troeltschs Juden
21 Gelehrtenrepublikanismus: Demokrat in vielfältigen Rollen
22 Dies tat man zu seinem Gedächtnis
Epilog: Troeltschs Gott als Individualitätsgarant
Anhang
Dank
Anmerkungen
Bildnachweis
Personenregister