1. "Wir erzeugen die Welt, in der wir leben, indem wir sie leben". Ausgehend von seiner Biologie der Kognition deutet H.Maturana mit dieser Aussage den in dieser Theorie konzeptualisierten grundsätzlichen Wandel von Wirklichkeitsbegriff und Menschenbild an. Auf der Basis einer Theorie autopoietischer Systeme erarbeitete er eine Alternative zu einem Wirklichkeitsbegriff, der wesentlich durch die Wissenschaft der Neuzeit mit ihrem Anspruch der objektiven Erkenntnis einer von den "Wirk ursachen" beherrschten Welt etabliert wurde. Eben diese fundamentale Methode implizierte in den Bio - und Verhaltenswissenschaften einen bis heute nicht über wundenen Dualismus mechanistisch -reduktionistischer und teleologisch -vitalistischer Erklärungsprinzipien. 2. Diese erstmals von I.Kant (insbesondere) im dritten Widerstreit der Antinomien der reinen Vernunft in aller Schärfe aufgezeigte Dichotomie im Bild von Mensch und Wirklichkeit findet ihre Auflösung in der Philosophie G.W.F.Hegels. Aus der Ver mittlung von Zweck und Mechanismus ergibt sich das lebende Individuum als Subjekt, als "der Selbstzweck, der Begriff, welcher an der ihm unterworfenen Objektivität sein Mittel und subjektive Realität hat". Verbunden mit dieser Vermittlung ist die fun damentale Kritik am "bisherigen Begriff der Logik, daß das Objekt ein für sich Voll endetes, Fertiges sei, das des Denkens zu seiner Wirklichkeit völlig entbehren könne".
0 Zusammenfassung.- 1 Menschenbild und Wirklichkeit.- 2 Die äußerliche Zweckbeziehung - das kybernetische System.- 2.1 Der kybernetische Systembegriff als äußerliche Zweckbeziehung.- 2.2 Lebewesen als kybernetische Systeme.- 2.3 Der kybernetische Systembegriff in der Psychologie - die Computerprogrammanalogie.- 2.4 Der "heterodoxe" Kognitivismus.- 2.5 Kritik der Anwendung des kybernetischen Systembegriffs auf das lebende Individuum und dessen Reformulierung als Zweck-Mittel-Dialektik.- 3 Die ausgeführte Zweckbeziehung - das physikalische selbstorganisierende System.- 3.1 Der Begriff des physikalischen selbstorganisierenden Systems als ausgeführte Zweckbeziehung.- 3.2 Lebewesen als selbstorganisierende Systeme.- 3.3 Nervensystem und Psyche als selbstorganisierendes System.- 3.4 Kritik der Anwendung des Begriffs des physikalischen selbstorganisierenden Systems in seiner Anwendung auf das lebende Individuum und seine Reformulierung als Zweck-Mittel-Dialektik.- 4 Das autopoietische System - lebendes Individuum und Lebensprozeß.- 4.1 Autopoietisches System und lebendes Individuum.- 4.2 Operationale Geschlossenheit und Lebensprozeß.- 4.3 Organisation und Struktur - formal und real bestimmendes Subjekt.- 4.4 Beobachter und System - die Zweck-Mittel-Dialektik.- 5 Gattung, Subjekt und Autopoiese.- 5.1 Der biologische Gattungszusammenhang.- 5.2 Der menschliche Gattungszusammenhang.- 5.3. Die humanistische Perspektive der Gattung.- 6 Menschenbild, Wirklichkeit und Wissenschaft.
Dr. Axel Ziemke (Erfurt) ist Biochemiker und Philosoph; er ist heute Postdoc-Stipendial am Graduiertenkolleg Kognition, Gehirn, Neuronale Netze (KOGNET)" an der Ruhr- Universität Bochum.