"Mit diesem Prosa-Buch, ähnlich wie Das Buch der Unruhe, tritt erstmals auf deutsch ein Pessoa zutage, der sich hinter dem Heteronym António Mora verbirgt und religionsphilosophische Fragen aufwirft, Fragen zur Rückkehr der antiken Götter, Fragen zu einem neuen Heidentum. - Pessoa sagt von sich: "Ich war ein von der Philosophie angeregter Dichter und kein Philosoph mit dichterischen Fähigkeiten", und so liest sich denn auch dieses Fesseln sprengende, aufmüpfige und anregende, verstörende Werk.
Mora ist eines der spannendsten Heteronyme Pessoas, er nimmt die Fragen von Caeiro auf und sieht alle Dinge als Dinge, ohne weitere Dimension oder metaphysische Exegese. Die Fragestellungen sind von Aktualität, wird doch heute, nach der religiösen, moralischen und politischen Verunsicherung durch die Moderne, vermehrt von verschiedenartigsten Gottheiten (im Gegensatz zu den monotheistischen Glaubensrichtungen) gesprochen. Mora, der Meister Caeiro - und damit Pessoa - gehen radikal weiter als Nietzsche mit seiner Religionskritik."
Fernando Pessoa (1888-1935), der wohl bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem Buch der Unruhe plötzlich bekannt geworden. Er gehört zu den großen literarischen Erneuerern, ist nicht nur der Begründer der modernen Dichtung seines Landes, sondern eine der Schlüsselfiguren in der Entwicklung der zeitgenössischen Dichtung überhaupt. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme. Er gab seinem vielfältig gespaltenen Ich die Namen Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos und eben Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie "Person, Maske, Fiktion, Niemand" bedeutet.