Warum wurde Jesus von Nazaret hingerichtet? Wer war verantwortlich? Wie konnte es dazu kommen, dass der Galiläer, der Menschen gesund gemacht und Feindesliebe gepredigt hatte, ein solch grausames Schicksal erleiden musste?
Aufschluss über die letzten Tage Jesu versprechen die neutestamentlichen Passions- und Ostererzählungen. Doch es sind Glaubenstexte, keine historischen Berichte. Bereits die älteste, wohl in den vierziger Jahren nach Jesu Tod in Jerusalem entstandene Erzählung, auf der die Evangelien fußen, ist ein theologisches Konstrukt auf der Basis des Alten Testamentes. Ausgehend vom Kreuzestitel "König der Juden", der auf Jesu Verurteilung als angeblicher Königsprätendent hindeutet, bringt die Erzählung unter Bezug auf den Psalter die wahre messianische Würde Jesu narrativ zur Anschauung. Formiert hat sich diese älteste Passionserinnerung anlässlich der jährlichen Paschafeier; sie trägt also liturgische Züge. Umso mehr stellt sich die Frage, ob und wieweit sie Aussagen zu den im Hintergrund stehenden historischen Ereignissen überhaupt zulässt.
Michael Theobald untersucht nach Klärung des hermeneutischen Zugangs die Passionserzählungen gattungskritisch im Kontext der antiken Erzählungen vom Tod berühmter Männer, er rekonstruiert ihre älteste Gestalt und unternimmt den Versuch, ein im Rahmen der zeitgenössischen Macht- und Rechtsverhältnisse plausibles Bild von Vorgeschichte, Ablauf und Folgen des Verfahrens gegen Jesus zu zeichnen. Zudem zieht er Bilanz aus der Forschung der letzten 100 Jahre und entwirft einen neuen Zugang zu Geschichte und Theologie der Passion Jesu.
Geboren 1948; Studium der Kath. Theologie in Bonn, Münster und München; 1980 Promotion in Bonn; 1985 Habilitation in Regensburg; 1985-89 Professor für Biblische Theologie an der FU Berlin; 1989-2016 Professor für Neues Testament an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen; seit 2016 emeritiert.